Die Story hinter dem modularen Pflanzgefäß stapelbeet
Warum entwickelt ein Architekt + Möbeldesigner ein „stapelbeet“…?
Eigentlich begann alles im Frühjahr`23 während einer Angeltour: Mein Sohn Paul und ich waren damals auf dem mecklenburgischen Flüßchen Peene mit dem Kanu unterwegs. Nach einem langen Tag saßen wir abends erschöpft und besinnlich am Lagerfeuer, als Paul mir plötzlich folgende Frage stellt:
„Wenn Du einfach mal so für Dich ein Lieblingsding- also irgendein cooles Produkt das möglichst einfach, gut und sinnvoll ist- designen müsstest: Wie sähe das aus…?„ Challenge accepted.
Zugegebenermaßen war dies das interessanteste und ergebnissoffenste Briefing, das ich jemals auf dem Schreibtisch liegen hatte: In der Regel erhalte ich von meinen Auftraggebern eine explizite Beschreibung der Typologie, der Funktionen, der gewünschten Abmessungen sowie konstruktive Vorgaben. Besondere Anforderungen der Marketingabteilung, Material oder Farbvorgaben sowie die Berücksichtigung von Trends sind häufig entwurfsbestimmend- und nun sollte ich mich also einfach mal so absolut frei von dieses Zwängen machen und irgendein Produkt entwerfen, das mir wirklich am Herzen liegt.
Dieser einmal eingepflanzte Gedanke ließ mich nicht mehr los: Kaum im Büro habe ich das Tagesgeschäft dann erst mal beiseite gelegt und zum Skizzenbuch gegriffen um eine erste Idee zu entwickeln- aber nicht ohne vorab einige grundlegende Rahmenbedingungen für den Entwurf festzulegen:
Es sollte ein einfach ein gutes* Produkt werden. Und mit „gut“ meine ich so einfach wie möglich, schlicht in der Gestaltung, hilfreich, individuell, inspirierend, ökologisch sinnvoll und langlebig* Pflanzgefäß statt Möbel?
Seit Jahren liegt mein Fokus auf der Entwicklung innovativer, funktionaler Möbelstücke. Ich kenne die Branche, weiss wie der Markt tickt und wie die Mechanismen funktionieren. Die Herausforderung war nun, diese Comfort Zone zu verlassen und etwas Neues, vollkommen anderes auzuprobieren:
Ein Möbel ist meist ein privates Ding: Es steht im Wohnzimmer, im Flur, in der Küche und ist in der Regel lediglich für die BesitzerInnen sicht- und nutzbar; Ein Schrank, ein Tisch oder ein Stuhl sind Moden und Trends unterworfen; häufig ist der dekorative Aspekt wichtiger als der wirklich hilfreiche und sinnvolle Zweck.
Lag es an der wunderschönen landschaftlichen Umgebung, in der der erste Impuls entstand oder war es vielleicht ein grundsätzliches unterbewusstes Bedürfnis nach mehr Natur in meiner Heimatstadt Berlin?- Auf jeden Fall lautete der erste kreative Gedanke für eine mögliche Produktkategorie nicht wie üblich „Möbel“ sondern „Grün“. Ein Grün, das je nach Einsatzgebiet, Anordnung und Bepflanzung nicht nur dem Benutzer dient sondern vielleicht auch der Umwelt und der Öffentlichkeit einen Mehrwert bieten kann.
Was hat Sie zur Gestaltung inspiriert?
In den vergangenen Monaten habe ich mich stark mit modularen, stapelbaren Regalelementen beschäftigt. Mein erster Gedanke war also: Wie wäre es, wenn, man diese Erkenntnisse auf eine Art „Regalgarten“ anwenden würde? Und so lag das Konzept recht schnell auf der Hand: Gestapelte Natur. Simpel und selbsterkärend. Und wie funktioniert die Verbindung?
Bei meinen modularen Möbeln habe ich schon häufiger das Prinzip der formschlüssigen Verbindung angewandt- und diese einfache werkzeuglose Verbindungstechnik nun auf ein Pflanzmodul übertragen. Man kennt das Prinzip vom Bierkasten: Hier greift die obere Kiste exakt in die jeweils untere.
Apropos: Das Gewicht des leeren Stapelbeetes entspricht in etwa dem einer gefüllten Bierkiste….
Warum CorTen Stahl?
Als Architekt hege ich seit langem eine Vorliebe für die momentan wieder hochaktuelle architektonische Strömung des Brutalismus: Diese Bezeichnung leitet sich vom französischen „brut“- also „roh, ungeschliffen“ ab: Bei diesem funktionalen Architekturstil aus der Mitte des 20. Jahrhunderts wurden unbehandelte ehrliche Materialien in eine einfache, häufig kantige Form gebracht; dies ergibt eine interessante plastische Wechselwirkung aus Licht, Schatten und Textur: stapelbeet kann man gewissermassen als eine skalierte Reminiszenz an diese prägende Architekturströmung verstehen.
Bei der Recherche nach einem geeigneten Material bin ich recht schnell auf CorTen Stahl gestossen: Diese spezielle im Jahr 1932 patentierte Stahllegierung bildet nach einigen Monaten eine eigene Schutzhaut, die das Metall vor Umwelteinflüssen schützt. Man kennt dieses auch als Wetterstahl bezeichnete Material z.B. von Stararchitekten wie Bjarke Ingels oder weltbekannten Künstlern wie Richard Serra oder Donald Judd– und natürlich als Leitplanke der Brennerautobahn: Diese wurde vor mehr als 30 Jahren installiert und benötigt keinerlei Wartung oder Pflege:
CorTen Stahl kommt dank seiner charakteristischen natürlichen Patina ohne umweltschädliche Kunststoffbeschichtung oder Lackierung aus- und sollte man sich nach mehreren dutzend Jahren am stapelbeetsattgesehen haben: Einfach zum Recyclinghof bringen. Das Material lässt sich zu 100% recyceln- und der Schrotthändler zahlt Ihnen sogar auch noch ein paar Euro dafür…
Bei allen technischen und ökologischen Materialvorteilen liebe ich vor allem den Kontrast zwischen dem vermeintlich harten, kalten Material und der Lebendigkeit der Bepflanzung: stapelbeet verleiht dem Grün einen homogenen, warmen Hintergrund; die Schönheit und Fragilität der Pflanzen kommen dadurch besonders zur Geltung; das Grün wirkt irgendwie satter.
...ein natürliches Material?
Wie bei einer minimalistischen Skulptur war es mir wichtig, lediglich einehrliches und vor allem lebendiges Material zu verwenden: Als Besitzer eines stapelbeets muss man sich darüber im klaren sein, dass die Oberfläche jedes Moduls ein wenig anders aussieht bzw. sich über die Jahre entwickeln wird: Frisch aus dem Karton besitzt jedes Element die typische dunkelgraue Farbe gewöhnlichen Stahls. Erst über Monate oder vielleicht Jahre entwickelt sich dann die typische rostrote Patina.
Diese natürliche Schutzschicht führt z.B. in Bereichen aus denen Wasser aus der Pflanzwanne tritt zu interessanten Streifen; der Rost hinterlässt anfangs eventuell Spuren auf dem Untergrund oder an hellen Kleidungsstücken:
stapelbeet ist halt kein aseptischer Hochglanzkübel aus blinkendem Edelstahl sondern verschmilzt optisch und organisch mit der darin enthaltenen Erde und Bepflanzung: Mein Entwurf ist einfach ein lebendiger Teil des Gartens oder verwandelt den nüchternen Stadtbalkon in eine kleine sich stets verändernde Oase…
*Ein „gutes“ Produkt? Was soll das heissen…?
1) So einfach wie möglich gilt für den handwerklichen Herstellungsprozess, die superkurze Lieferkette (also vom der Werkbank direkt zum Kunden) sowie die KundInnen-Freundlichkeit: Das Produkt besteht aus lediglich einem Element, das in Kombination mit weiteren identischen Modulen zu unendlich vielen Konfigurationen individuell zusammengestellt werden kann. Das Produkt ist selbsterklärend und wartungsfreundlich.
2) schlicht in der Gestaltung heisst, dass sich die minimalistische Formensprache und die Materialität auf zeitlose Art und Weise zurücknehmen und in den Dienst der Funktion stellen. 3) Wenn ich normalerweise an den klassischen Begriff der „Funktion“ denke, habe ich zum Beispiel raumsparende Möbel, bei denen sich Arbeitsflächen mittels Scharnieren usw. herausklappen lassen vor Augen: In diesem Falle soll das Objekt nicht eine oder mehrere Funktionen beinhalten, sondern aus sich selbst heraus ohne irgendwelche beweglichen Teile „hilfreich“ sein- also durch einach durch seine blosse Präsenz den BesitzerInnen bzw. Dritten etwas Gutes tun.
4) Individuell bedeutet für diesen Artikel nicht das branchenübliche „ist in 96 Farben und 7 Grössen lieferbar“: Es gibt lediglich dieses einestapelbeet– Modul. Und es hat keine „Farbe“- denn es besteht einfach aus einem authentischen Material, dessen Oberfläche sich unkalkulierbar verändern wird. Individuell bedeutet im Falle des stapelbeets vielmehr, dass der/die NutzerIn das Modul durch Anordnung, Anzahl und Bepflanzung an ihre/seine Bedürfnisse anpassen kann.
5) Das Produkt soll den/die NutzerIn auf spielerische Art dazu inspirieren, seinen/ihren Aussenraum bewusst zu gestalten
6) Das Produkt muss ökologisch unbedenklich sein- bzw. sogar einen ökologischen Mehrwert besitzen. Der Versandkarton kommt übrigens völlig ohne Kunstoffe aus: Die robuste Box besteht aus Recyclingkarton; verschlossen wird diese mit Klebeband aus Kraftpapier; der Kleber besteht aus Naturkautschuk.
7) Das Produkt soll denkbar lange halten– dabei aber schön bzw. charakteristisch altern.
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